POPPY DAY

Der Monat November ist – zumindest in englischsprachigen Ländern – der Monat des Klatschmohns (engl. poppy). Auf den ersten Blick mutet diese Verbindung erstaunlich an, denn der Klatschmohn  blüht nur von Mai bis Juli/August und im November sind – wenn überhaupt – nur noch braune, vertrocknete Exemplare der Pflanze zu finden.

Bei uns verbindet man mit dem Monat November keine hübsche rote Blume, sondern das Gedenken an die Verstorbenen. Ihrer wird in katholischen Gegenden an Allerseelen (2. November) und bei den Protestanten am Totensonntag (dem Sonntag vor dem ersten Advent) sowie von staatlicher Seite aus am Volkstrauertag (vorletzter Sonntag vor dem ersten Advent) gedacht. Und die Toten, genauer gesagt die Opfer des ersten Weltkriegs, bilden die Verbindung zur Mohnblume.

Während in Deutschland die Katastrophe des zweiten Weltkriegs das Gedenken an den ersten Weltkrieg und die unzähligen Gefallenen total verdrängte, gedenkt man in englischsprachigen Ländern auch heute noch dieser vor über 100 Jahren Verstorbenen. Symbol für die Erinnerung an sie ist die Mohnblume, die besonders um den 11. November (Remembrance Day), dem Endtag des ersten Weltkrieges, überall präsent ist. Privatleute, Politiker und Sportler tragen gehäkelte oder Mohnblumen aus Plastik an die Kleidung angeheftet. In den Kirchen, Dörfern und Städten erhalten die Denkmäler für die Gefallenen (mittlerweile beider Weltkriege) künstliche Kränze aus Mohnblumen. Der 11. November wird deswegen auch Poppy Day genannt.

Wie der Klatschmohn zur Erinnerungspflanze der Weltkriegstoten wurde, ist einfach zu erklären: Veranlasst durch den Tod seines Freundes Alexis Helmer, gefallen am 2. Mai 1915 bei Ypern in Flandern und dort am selben Tag beerdigt, schrieb der kanadische Mediziner und Schriftsteller John Alexander McCrae am Tag nach dessen Tod ein Gedicht, das zum bekanntesten Gedicht über den ersten Weltkrieg im englischsprachigen Raum avancierte. McCrae hatte die Trauerfeier für seinen Freund selber abgehalten, da kein Geistlicher vorhanden war.

Mohnblumen blühen gerne in frisch aufgeworfener Erde, die es der vielen Bombeneinschläge wegen, zuhauf gab. So inspirierten diese McCrae, als er sie am Tag nach dem Tod seines Freundes in der Nähe seines Grabes sah, zu seinem Gedicht. Die Mohnblume steht einerseits wegen ihrer blutroten Blüten für das vergossene Blut andererseits auch für die betäubende Wirkung, die zwar nicht der Klatschmohn, aber dafür der Schlafmohn hat, sowie sicherlich auch dafür, dass selbst an den schrecklichsten Orten das Leben weitergeht und neues Leben entsteht.

In Flanders Field

John Alexander McCrae, 3. Mai 1915

In Flanders fields the poppies blow
Between the crosses, row on row,
That mark our place; and in the sky
The larks still bravely singing fly
Scarce heard amid the guns below.

We are the dead. Short days ago,
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved, and were loved, and now we lie
In Flanders fields.

Take up our quarrel with the foe:
To you, from failing hands, we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die,
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields.

(Eine deutsche Übersetzung ist im Internet zu finden.)

Nathalie Donié unterrichtet Latein, Geschichte und katholische Religion an einem Gymnasium in Hessen. Sie hofft, dass auch andere einmal im November der unzähligen, oft längst vergessenen, Kriegstoten gedenken, indem sie sich eine Mohnblume an die Kleidung heften. Englische Anleitungen für gehäkelte Exemplare finden sich leicht im Internet unter dem Stichwort „remembrance poppy crochet“.