RUND UM DIE VOGELMIERE
Wie eine „Pest“ und „von einer Eroberungssucht gekennzeichnet, die der eines Napoleon nicht nachsteht“, schimpfte der amerikanische Biologe Edwin R. Spencer in den 1960er Jahren. Er hat recht: Die Vogelmiere breitet sich unglaublich schnell aus. Und wenn kein Insekt vorbeifliegt, bestäubt sie sich zur Not selbst. Wie eine Mulchschicht schützt sie den Boden vor Sonne, Regen oder Erosion. Spencer ärgerte sich auch über Carl von Linné, der ihr wegen der Blütenform den schönen Namen „Stellaria“ gab – also „Sternchen“.
Die Trivialnamen der Vogelmiere sind nicht ganz so schmeichelhaft. Sie hat Namen wie „weißer Hühnerdarm“ (da sie bis zu 90 Zentimeter lang werden kann), Gänsekraut, Hühnerkraut oder Vogelkraut. Die nach jungen Maiskolben schmeckende Pflanze wurde von Geflügel offenbar gerne gefuttert.
Daneben tat das Kraut seinen Dienst als Wetterorakel: Sie öffnet morgens gegen 9 Uhr ihre Blüten nur dann, wenn gutes Wetter zu erwarten ist. Bei Regenwetter oder wenn Regen bevorsteht, bleiben die Blüten den ganzen Tag geschlossen.
Vermutlich wurde die Vogelmiere schon in der Jungsteinzeit genutzt: Ackerbauende Menschen erkannten die Vorzüge des Begleitkrauts als Nahrungs- und Heilpflanze. Durch die Jahrhunderte hinweg kann die Nutzung als Heilpflanze belegt werden. Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) empfahl den „Hundsdarm“ als Umschlag bei Verletzungen. Auch später stand die äußere Anwendung bei Wunden, Geschwüren und Hauterkrankungen im Vordergrund. Leonhard Fuchs (16. Jahrhundert) empfahl „Hühnerderm“ als Wundkraut und gegen Fieber, den Pflanzensaft äußerlich gegen Augenentzündungen. Der Mediziner und Botaniker Tabernaemontanus (16. Jahrhundert) nutzte die Vogelmiere gegen Fieber und hitzige Entzündungen. Klagten Kinder über Leibschmerzen, sollte das in Öl geröstete Kraut zur Schmerzlinderung aufgelegt werden. Die Blätter in Fleischbrühe gekocht, empfahl er als gesunde Speise bei auszehrenden Krankheiten. Auch Sebastian Kneipp (19. Jahrhundert) hielt viel vom Hühnerdarm und nennt als Anwendungsgebiete insbesondere Husten, Verschleimung, Hämorrhoiden und Blasenleiden. Gemischt mit Kamille wurde in der Volksmedizin eine Schmalzabkochung der Miere als Massagemittel für Kinder verwendet, die unter Blähungen litten.
Die Vogelmiere dem Geflügel als Nahrung zu überlassen ist eigentlich zu schade: Sie schmeckt sehr mild, ihr Geschmack erinnert an jungen Mais, und eignet sich daher als Beigabe zu kräftigeren Gemüsen.
Suppe mit Vogelmiere
Butter erhitzen, eine fein geschnittene Zwiebel anschwitzen, mit Mehl bestäuben und drei Handvoll Vogelmiere zugeben. Mit 1,5 l Hühnerbrühe aufgießen, alles zum Kochen bringen. Eine oder zwei dünn geschnittene Kartoffeln dazu, 10 Minuten ziehen lassen. Dan pfeffern, salzen, mit 2 EL Sahne verfeinern und mit gerösteten Weißbrotwürfeln servieren.
Bunter Basmatireis
Basmatireis zubereiten, Zwiebelwürfel in Öl andünsten, rote Paprikawürfel zugeben, Maiskörner hinzufügen und mit Salz, Pfeffer und Curry abschmecken. Triebspitzen der Vogelmiere mit dem Gemüse unter den Reis heben.