RAUHNÄCHTE

Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ heißt im Original „Twelfe Night“ – diese „zwölfte Nacht“ ist eine Anspielung auf die Epiphaniasnacht, die zwölfte und letzte der Rauhnächte. Epiphanias – das Fest der Erscheinung des Herrn – wird auch als Dreikönigsfest am 6. Januar gefeiert. Schon zu Shakespeares Zeiten wurde der Beginn des Karnevals mit Maskenspielen gefeiert, bei denen Menschen sich verkleiden und ihre Identität wechselten.

Auch heute treiben Perchten, Gestalten in zotteligen Fellen mit aufwändig geschnitzten Holzmasken, und andere Geister in den Rauhnächten ihr Unwesen. Bei den Rauhnächten handelt es sich um bestimmte Nächte um Weihnachten herum, das Datum kann je nach Region unterschiedlich sein, meist handelt es sich um vier bis zwölf Nächte, wobei vier Nächten eine besondere Stellung haben: Die Thomasnacht / Wintersonnenwende (21./22.12.), die Christnacht (24./25.12.), die Altjahrnacht (31.12./1.1.) und die Perchtennacht (5./6.1.).

Haarige Wesen, Geister und Dämonen treiben ihr Unwesen

Doch was bedeutet Rauhnacht – oder heißt es vielleicht doch Raunacht? „In Bayern und Österreich sagt man meist Rauchnächte, weil man da Gebäude ausräuchert“, weiß Rainer Wehse, Volkskundler und Ethnologe der LMU München, „doch in Wirklichkeit kommt der Begriff von den Rauch- oder Pelzwaren“. Der ursprüngliche Wortsinn von „rauch“ heißt haarig. Rauchwaren waren haarige, gefährliche Gestalten, die in der besonderen Zeit umgingen.

Und so treiben in den Rauhnächten wilde Geister und Dämonen ihr lautes Unwesen. Um die Nächte ranken sich vielfältige Legenden und Bräuche, zahllose Mythen und grauslige Geschichten. In den Rauhnächten sei die Natur außer Kraft gesetzt, sagte man, die Tore zu einer anderen Welt stünden offen, Tiere könnten sprechen und Orakel seien besonders verheißungsvoll. Frau Percht, die Perchta, ist eine mächtige Gestalt der Rauhnächte, die streng auf die Einhaltung von Regeln achtet und diejenigen bestraft, die sich nicht daran halten. Daher soll man sich im Haus verstecken und die Tiere im Stall lassen. Doch Frau Percht hat auch ihre guten Seiten: Sie schützt Kinder oder bringt Wanderer in Not heil vom Berg herab.

Räuchern als Abwehrzauber

Die Zeit der Rauhnächte ist ein magischer Wendepunkt, ein Neuanfang, und galt trotz des Lärmens der Geister auch als die stillste Zeit des Jahres. Schutz vor den Geistern und Dämonen boten daher Ruhe, Besinnung und Einkehr. Verbote mussten ernst genommen werden, bestimmte Tiernamen durften nicht ausgesprochen werden, es gab ein Arbeitsverbot und auch Abwehrzauber. Räuchern war ein solcher Abwehrzauber. Haupträuchertag waren neben dem Thomastag Silvester und der Dreikönigstag. Verräuchert wurden Pflanzen mit symbolischem Charakter, die eventuell vorher in der Kirche geweiht worden waren, oder Weihrauch. Man ging durch alle Räume des Hauses und alle Stallteile und sprach dabei Gebete. Beim Räuchern verglimmt getrocknetes Pflanzenmaterial: Blätter, Blüten, Samen, Holzstücke, Wurzeln oder Harze auf glühender Kohle. Dadurch können sich die ätherischen Öle der Pflanze oder des Harzes lösen und mit dem Rauch aufsteigen. Durch das Verbrennen, der Wandlung von Materie zu Rauch, sollte sich das Wesen oder der Geist der Pflanze zeigen. Der Duft und die Seele der Pflanze würden als Rauch vom Diesseits ins Jenseits steigen und dort die Götter erfreuen oder die wilden Geister gnädig stimmen.

Das alles klingt recht archaisch – und ist wohl auch frühzeitlich. Doch waren die Riten in der Frühzeit noch in fester Hand der Priester, gaben die alten Ägypter ihr Wissen an das ganze Volk weiter, sie erstellten erste Kalender, in denen die Sonnenwende angegeben war. Doch ohne Schalttage wanderten die Wintersonnenwend-Tage über die Jahre hinweg, so entstanden bis zur Antike zwei wichtige Termine, der 25. Dezember und der 6. Januar. Die Zeit zwischen beiden Termin ist die „tote Zeit“, die Rauhnachtszeit, in der Unordnung herrscht. Bis heute.