HEILKRÄUTER IN VOLKSMEDIZIN UND MODERNER PHYTOTHERAPIE

Bereits in der Urgeschichte der Menschheit sammelten die Menschen Erfahrungen zu Heilmethoden und Heilmittel. Sie probierten Heilpflanzen aus oder beobachteten Tiere, die bei Krankheiten instinktiv bestimmte Pflanzen fressen. So entstand ein Wissen in der Bevölkerung, das über Jahrtausende weitergeben und weiterentwickelt wurde.

Die Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) gehört zu den ältesten medizinischen Therapien und ist auf allen Kontinenten und in allen Kulturen zu Hause. Sie beruht auf Erfahrungswerten, überliefertem Wissen und Traditionen.

Bis ins späte 18. Jahrhundert unterschieden sich Heilmittel und Heilmethoden nicht grundsätzlich von der ärztlichen Praxis. Die Bevölkerung nutzte das Angebot von Heilern (d.h. Kräuterkundige, Segenssprecher, Starstecher, Schnittärzte, Hebammen, Bader, Handwerkschirurgen) bis hin zum akademisch ausgebildeten Arzt.

Der Begriff Volksmedizin etablierte sich vor etwa 200 Jahren. Er umfasst die Vielfalt der in der Bevölkerung existierenden Krankheitsvorstellungen und Therapieverfahren. Viele Ärzte prangerten solche Verhaltensweisen der Bevölkerung an und so ergab sich eine Begriffsverschiebung hin zu „medizinischem Aberglauben“. Alsbald verstand man unter Volksmedizin hauptsächlich überlieferte irrationale Heilpraktiken, die im Gegensatz zur ärztlich-naturwissenschaftlichen Medizin standen. Die Ärzte versuchten sich so ein Therapiemonopol zu sichern. Begriffe wie Kurpfuscher oder Scharlatane dienten zur Abgrenzung und Abwertung von Nicht-Ärzten.

Erst ab den 1970er Jahren begannen Volkskundler und Medizinhistoriker das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung wertfrei zu untersuchen. Mittlerweile nutzt die Forschung anstelle des Begriffs „Volksmedizin“ lieber den Begriff „Medikalkultur“ oder „medikale Laienkultur“. Eine allgemeine Skepsis in der Bevölkerung gegenüber der Schulmedizin ließ viele erfahrungsmedizinische und auch esoterische Heilmethoden aufkommen.

Dass Heilpflanzen wirken, wissen natürlich auch Ärzte. Deshalb müssen pflanzliche Fertigarzneimittel auch behördlich zugelassen werden. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind nachzuweisen. Standardisierte Datensammlungen (Monographien zu einzelnen Pflanzen) sind das Ergebnis behördlicher Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene (z. B. ESCOP oder HMPC).

Für traditionelle Arzneimittel werden viele Heilpflanzen kontrolliert angebaut. Dadurch kann eine gleichbleibende Qualität am besten sichergestellt werden. Durch gezielte Züchtungen können wirksame Inhaltsstoffe in Pflanzen aus Kulturanbau auch höhere Konzentrationen erreichen.

Weltweit stammen jedoch etwa 2/3 der genutzten Arzneipflanzen aus Wildsammlung. Bei besonders interessanten Arten kann dies zur Übernutzung der betreffenden Art und möglicherweise auch zur Ausrottung kommen.

In den letzten Jahren ist ein zunehmender Trend zur Selbstmedikation bei Befindlichkeitsstörungen und leichten Erkrankungen festzustellen. Innerhalb der Selbstmedikation nehmen pflanzliche Arzneimittel eine wichtige Rolle ein. Was sie so beliebt macht: ihre gute Verträglichkeit und ihre Eignung zur Vorbeugung von Krankheiten.