DUFT
Der süße Duft einer Rose, der würzige Geruch von Rosmarin – eine Augenblicksstimmung – präsent im Hier und Jetzt. Der Geruchssinn ist ein Sinn, der uns unmittelbar berührt und Erinnerungen hervorholen kann. Ein Sinn, der immer aktiv ist, auch wenn wir schlafen.
Das flüchtige Phänomen Duft ist wie Rauch, der nach oben steigt, zum Himmlischen. Düfte spielen in vielen Religionen eine wichtige Rolle; ihre Bedeutung wurde erkannt und in die Kulte integriert: Düfte dienten und dienen der Kommunikation mit Gott. Der Mensch erzeugte Düfte, um Gottheiten zu ehren – oder er deutet den Duft der Natur als Sprache der Götter. Im Hinduismus undBuddhismus gibt es Räucherstäbchen in unterschiedlichsten Ausführungen: Sandelholzduft beispielsweise gilt als Indiz für das Erscheinen eines Buddhas, eines Erleuchteten. Räucherwerk, duftende Salben oder frische Blumen dienen dazu, Buddha-Statuen zu salben und zu beduften.
Nicht riechen geht nicht
Es gibt keine duft-leeren Räume, fast jeder Gegenstand verströmt Duftmoleküle. Diese sind sehr leicht und fliegen wie Staubkörner durch die Luft und füllen diesen aus. Beim Einatmen kommen Duftmoleküle in die Nase und können von den 30 Millionen Riechzellen aufgenommen werden. Doch das geschieht nicht notwendigerweise über die Nase, es geht auch über die Lunge, die Haut oder die Nahrung.
Gerüche sind in ihrer Bedeutung zunächst neutral, erst der Mensch stellt einen Zusammenhang her. Ob etwas angenehm oder unangenehm riecht – das entscheidet sich teilweise schon vor der Geburt, denn das Geruchsempfinden entwickelt sich schon im Mutterleib, ein Ungeborenes kann mit der Mutter riechen. Zusammen mit dem Duft speichern wir Emotionen ab – und wenn wir den Duft später riechen, kommen auch diese Emotionen wieder hervor. Gerüche wirken direkt auf das limbische System, ein entwicklungsgeschichtlich alter Teil des Gehirns, der für Emotionen und Erinnerungen zuständig ist. In Religionen werden sehr starke Gefühle angesprochen: Vertrauen, Hingabe, Erlösung, Reue, Schuld, Angst vor Verdammnis – und auch diese werden oft mit Gerüchen verbunden.
Der angenehme Duft der Götter
Die alten Ägypter konnten die Wirkung der Düfte sehr gezielt einsetzen: Myrrhe, Weihrauch, Zimt, Wacholder, aber auch Kräuter wie Beifuß oder Majoran wurden geräuchert oder destilliert. Die Götter wurden in Duftwolken gehüllt; Weihrauch galt sogar als Eigengeruch der Götter. Der Duft galt als eine geistige Kraft, die beleben und heilen, sogar den Tod überwinden konnte. Mit dem Tod kommt der Gestank der Verwesung. Wer dem Verstorbenen ein Leben über den Tod hinaus sichern wollte, musste den Gestank des Todes vertreiben, indem er intensive, positiv besetzte Düfte einsetzte. Der Erhalt des physischen Körpers war den Ägyptern wichtig, denn sie glaubten an eine Wiedervereinigung der Seele mit dem Körper des Verstorbenen. So wurde mumifiziert bis zur Perfektion, auch mit duftenden Essenzen.
Schamanen räuchern mit Kräutern (wie Salbei), Hölzern (wie Wacholder) oder Harzen (wie Weihrauch) und senden so duftende Botschaften an die Götter oder stillen den Hunger von Geistern mit Duftspeisen. Auch die Kelten räucherten mit Pflanzen, meist inmitten der Siedlungen an Feuerstellen. Das Bilsenkraut (ein Hexenkraut) galt als prophetische Pflanze, die die Druiden nutzten, um mit den Naturgeistern in Kontakt zu treten.
Düfte werden auch in der Bibel thematisiert: Tiere können als Brandopfer Jahwes Emotionen beruhigen, wenn der Mensch seinen Zorn erregt hat. Statt eines Tieres eignet sich auch Weihrauch, ein Wohlgeruch für Gott, aber auch Duftpflanzen wie Rose, Granatapfel, Myrrhe, Weihrauch, Zimt oder Narde fanden Verwendung. Die Narde war besonders kostbar, weil man die Pflanze importieren musste; ihr Geruch ist eigenwillig. Dass Maria Magdalena Jesus mit dem kostbaren Nardenöl die Füße salbt – pure Verschwendung mit einem erotischen Unterton: „Ein Lustgarten sproßt aus dir, Granatbäume mit köstlichen Früchten, Hennadolden, Nardenblüten …“ heißt es im Hohelied Salomons. Auch die Heiligen Drei Könige bringen die luxuriösen Duftstoffe Weihrauch und Myrrhe, die Jesus – genauso wie das Gold – als König und göttliches Wesen ausweisen. Die Kirchenväter verboten den Handel Weihrauch, weil sie das Räuchern für heidnisch hielten. Doch mit etwas zeitlichem Abstand wurde der Weihrauch als Bestandteil der Liturgie wiederentdeckt.
Der Gestank der Hölle
Und genauso wie angenehmer Geruch und Gott zusammengehören, gehört auch die Höllenvision und Gestank zusammen. Während viele Heilige von Wohlgerüchen umgeben sein sollen, stinkt der Teufel. Kein Wunder, dass wir heute noch in den Rauhnächten mit würzigen Kräutern Ställe und Wohnräume ausräuchern; die schlechten Gerüche, Dämonen und negative Energien sollen damit vertrieben werden. Der Wohlgeruch verwandelt den Raum in einen heiligen, abgegrenzten Bezirk und lädt ihn mit frischer Energie auf.