BLUMENUHR
Leonce verspricht seiner neuen Braut gegen die dekadente Langeweile: „ … wir lassen alle Uhren zerschlagen, alle Kalender verbieten und zählen Stunden und Monde nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüte und Frucht.“ Die Hippie-Bewegung hatte Georg Büchner dabei vermutlich nicht vorhergesehen. Vielleicht aber hatte er von Blumenuhr des schwedischen Naturforschers Carl von Linné erfahren?
Linné war ein hervorragender Beobachter von Abläufen in der Natur. Er entdeckte, dass viele Pflanzenarten zu zu bestimmten Tageszeiten blühen und entwickelte eine Beetanlage mit zwölf Abteilungen, die an Kuchenstücke — oder eben ein Zifferblatt mit 12 Stunden — erinnern. In jede Abteilung kamen Pflanzen, die sich zur jeweiligen Stunde öffneten. Für einige Stunden fand er keine Blumen, deren Blüten sich zu den passenden Zeiten öffnen. Dafür nahm er solche, die sich zu den entsprechenden Zeiten schlossen. Diese sitzen im zweiten Ring von außen. Für die Zeiten zwischen 13 und 24 Uhr legte Linné einen zweiten Doppelring an. Hier stehen im äußeren Ring die Blumen oder krautige Pflanzen, die sich um die jeweilige Zeit öffnen und im inneren Ring die Blumen, die sich zur jeweiligen Zeit schließen. Im Jahr 1745 legte Carl von Lineé im botanischen Garten von Uppsala die erste Blumenuhr an.
Die Legende besagt, dass Linné vor dem Nachmittagstee aus dem Fenster auf seine angelegte Blumenuhr blickte, damit der Tee pünktlich um 17 Uhr serviert werden konnte. Angeblich konnte er die Tageszeit auf fünf Minuten genau bestimmen.
Heute wissen wir, dass die Blühphasen der Pflanzen auch mit den bestäubenden Insekten zusammenhängen: Öffneten sich alle Blüten zeitgleich, müssten sie untereinander zu stark um ihre Bestäuber konkurrieren.
Nicht verwirren lassen!
Linnés Blütenuhr war an die schwedische Klimazone angepasst und folgte auch nicht der Sommerzeit. An kühlen, verregneten Tagen bleiben viele Blüten geschlossen. Ist eine Blüte bereits bestäubt, schließt sie sich früher als üblich. Und das florale Uhrwerk funktioniert nur, wenn die Bienen, Hummeln und Schmetterlinge pünktlich Bestäubungsarbeit leisten. Lassen diese auf sich warten, bleiben die Blüten noch einige Stunden länger geöffnet – die „Blumenuhr“ geht also nach.
Wer möchte, kann die folgende Liste auf Richtigkeit überprüfen:
öffnet sich | schließt sich | |
---|---|---|
3 Uhr | Bocksbart | |
5 Uhr | Wegwarte, Mohn, Kürbis | |
6 Uhr | Zaunwinde, Roter Pippau | Nachtkerze |
7 Uhr | Huflattich, Seerose, Johanniskraut, Frauenmantel | |
8 Uhr | Sumpfdotterblume, Acker-Gauchheil | |
9 Uhr | Ringelblume, Margerite, Leinkraut | |
10 Uhr | Acker-Schuppenmiere, Wald-Sauerklee, Stockrose | |
11 Uhr | Gänsedistel | |
12 Uhr | Mittagsblume, Sprossende Felsennelke | Bocksbart |
13 Uhr | Tigerlilie | |
14 Uhr | Wegwarte, Gänsedistel | |
15 Uhr | Graslilie | Kürbis |
16 Uhr | Huflattich, Wunderblume, Acker-Gauchheil, Wald-Sauerklee | |
17 Uhr | Seerose, Mittagsblume | |
19 Uhr | Geißblatt | |
20 Uhr | Nachtkerze | |
23 Uhr | Geißblatt |